Vom Waldbrandwächter bis zum Beschützer unserer Energiesysteme: das Potenzial von Kleinsatelliten

Große Zukunft für kleine Satelliten

Familienfoto Kleinsatelliten
Piko, Nano, Mikro oder Mini – Kleinsatelliten sind vielfältig in Form und Größe. Die „Stars“ der Familie sind die würfelförmigen CubeSats.

Manche von ihnen sind nur so groß wie eine Streichholzschachtel, aber ihnen gehört die Zukunft der Raumfahrt: Die Rede ist von Kleinsatelliten. Der kleinste von ihnen, der würfelförmige Pocket Cube, besitzt lediglich eine Kantenlänge von fünf Zentimetern. Die „Stars“ der Familie dürften aber die CubeSats sein. Mit einer Kantenlänge von zehn mal zehn mal zehn Zentimetern beim Standardformat 1 U sind sie für viele unterschiedliche Aufgaben im Raumfahrtbereich einsetzbar, können preisgünstig in industriellem Maßstab produziert und zu modularen Systemen von nahezu beliebiger Größe kombiniert werden. Über ihre Gestalt hinaus werden Kleinsatelliten nach Gewicht in verschiedene Klassen wie etwa Piko-, Nano-, Mikro- oder Mini-Satelliten eingeteilt. Doch so unterschiedlich die Mitglieder dieser Familie in Größe, Gewicht und Funktion auch sein mögen, ihnen allen ist eines gemeinsam: Ihre Masse ist nicht größer als 500 Kilogramm.

Mehr als 9.000 Kleinsatelliten ins All gestartet

„Kleinsatelliten sind vielseitig einsetzbar“, erklärt Andres Bolte, zuständig für den Bereich Kleinsatelliten bei der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR. „Bereits heute werden sie in fast allen klassischen Bereichen der Raumfahrt verwendet: Sie beobachten die Erde, erforschen den Weltraum oder ermöglichen Kommunikationsanwendungen und Internetzugriff auch in abgelegenen Regionen der Welt.“

Der Kleinsatellit FOREST-3
FOREST steht für Forest Observation and Recognition Experimental Smallsat Thermal Detector. Er ist mit einer Wärmebild-Infrarotkamera ausgestattet und wurde von der Firma OroraTech entwickelt.
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OroraTech

Wie hoch der Bedarf an den Kleinen ist, zeigen die aktuellen Zahlen: In den Jahren 2015 bis 2024 wurden mehr als 9.000 Kleinsatelliten in den Orbit gestartet. Darunter befinden sich einzelne Forschungssatelliten ebenso wie kleinere Formationen oder kommerzielle Satellitenschwärme. „Die Vorteile von Kleinsatelliten liegen auf der Hand“, sagt Bolte, „sie sind günstig in der Herstellung, flexibel einsetzbar und können als Formation große Gebiete der Erdoberfläche mit hohen Aufnahmeraten abdecken.“

Waldbrandmonitoring und Meereswellendetektion in 3D

Viele weitere Kleinsatellitensysteme sind derzeit in Planung oder bereits im Auf- oder Ausbau. Sie sollen beispielsweise für die Waldbranddetektion eingesetzt werden. Dabei zeigt sich ein weiterer Vorteil der Kleinen gegenüber ihren großen Geschwistern, wie etwa den Sentinel-Satelliten aus dem europäischen Copernicus-Erdbeobachtungsprogramm: Während die Sentinels höchstens einmal am Tag eine bestimmte Region überfliegen und dabei beobachten können, wird das OroraTech-System mit seiner Flotte an Kleinsatelliten nach seiner Fertigstellung täglich fünf Überflüge leisten können. Diese hohe Rate an Wiederholungen vermittelt bei Waldbränden ein sehr viel aktuelleres Bild der Lage. Das DLR hat eine eigene KI-basierte Methode zur Erkennung und Vermessung verbrannter Flächen lizensiert, eine Technologie, die in die kommerzielle „Wildfire Solution Platform“ von OroraTech integriert wird.

Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist die Beobachtung der Ozeane. Hier können Formationen von kleinen Radarsatelliten eingesetzt werden, um Wellen zu detektieren und in 3D zu erfassen – Daten, die die internationale Schifffahrt sicherer machen.

Ein europäisches Gegenstück zu Starlink?

In Zukunft sollen Kleinsatelliten zunehmend auch sicherheitsrelevante Aufgaben im zivilen und militärischen Bereich übernehmen und dabei helfen, die Umsetzung politischer Maßgaben – wie etwa das Lieferkettengesetz der EU oder das Pariser Klimaabkommen – nachzuweisen. Das wohl bekannteste Netzwerk aus Kleinsatelliten, das die Erde umkreist, ist die Starlink-Flotte der US-amerikanischen Firma SpaceX. Neben der zivilen Nutzung wird sie auch zur Aufklärung in Kriegs- und Krisengebieten eingesetzt. „Ohne Kleinsatelliten wäre die Kommunikationsfähigkeit des ukrainischen Militärs deutlich eingeschränkt“, so Bolte.

Waldbrandbeobachtung in Spanien
In der erdnahen Umlaufbahn soll der Kleinsatellit FOREST-3 Daten über die Oberflächentemperatur unseres Planeten sammeln und in Echtzeit etwa vor Waldbränden warnen. Hier zu sehen ist der Nordosten Spaniens.
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OroraTech

Die Erkenntnis, wie riskant eine solche Abhängigkeit von Partnern, mehr noch von einzelnen kommerziellen Raumfahrtakteuren sein kann, hat sich in einer Zeit weltweit zunehmender politischer Instabilität auch in Europa durchgesetzt. „Es ist wichtig, die europäische Souveränität auch bei der Verteidigung und Aufklärung aus dem Weltraum sicherzustellen“, verdeutlicht Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstandsmitglied und Generaldirektor der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR. „Kleinsatelliten-Schwärme bieten dafür hervorragende Voraussetzungen.“

Inzwischen gibt es Pläne, das Satellitensystem des französischen Satellitenbetreibers Eutelsat massiv auszubauen, um technologisch unabhängiger zu sein. Doch der Weg zur europäischen Autonomie ist noch weit: So verfügt die Eutelsat-Flotte mit rund 650 Satelliten in der niedrigen Erdumlaufbahn über ein sehr viel bescheideneres Kontingent als das Starlink-System mit mehr als 7.000 Orbitern. Auch technologisch sind die US-Satelliten weiter fortgeschritten.

Verbündete im Kampf gegen Angriffe auf unsere Energie-Netze

Umfassende Netzwerke mit einer großen Stückzahl an Satelliten sind auch die Voraussetzung für Raumfahrtanwendungen der Zukunft: Dazu gehören die Sicherstellung der nationalen Energiesicherheit und die Überwachung von Lieferketten sowie flächendeckendes autonomes Fahren. Engmaschige Netzwerke aus Kleinsatelliten könnten zum Beispiel zu unseren Verbündeten bei der Abwehr von Cyberangriffen auf unsere nationale Energie-Infrastruktur werden. Ziel der Angreifer ist es, flächendeckende Blackouts auszulösen und damit Industrie, Wirtschaft und Verkehr lahmzulegen.

Zwar ist in Deutschland die Energie-Infrastruktur durch sogenannte redundante Netze gesichert: Wenn ein System ausfällt, springt automatisch ein Ersatzsystem ein. Doch was passiert, wenn auch dieses angegriffen und ausgeschaltet wird? Dann könnten zukünftig CubeSat-Netzwerke eingreifen und die Kommunikation der Anlagen – vom Gaskraftwerk über Windkraftanlagen bis hin zum Balkonkraftwerk – sicherstellen. Die Mini-Satelliten wären in der Lage, die Systeme nicht nur an- und auszuschalten, sondern auch durch Updates die Sicherheit zu erhöhen.

CAPTn-1: Neue Weltraum-Technologien am Einsatzort testen

Unter dem Namen CAPTn (Cubesat to Accomodate Payloads and Technology Experiments) hat das DLR ein Programm gestartet, bei dem neue Weltraumtechnologien auf CubeSats direkt vor Ort, also im All, getestet werden können. Dabei müssen sie sowohl die Vibrationsbelastungen beim Start als auch die Umweltbedingungen im Weltraum – also extreme Hitze und Kälte sowie Strahlung und Vakuum – überstehen. Der erste Satellit der geplanten Serie, CAPTn-1, wird voraussichtlich 2026 mit einer Falcon-9-Rakete der Firma SpaceX von der Vandenberg Space Force Base in Kalifornien ins All starten und dann rund zwei Jahre lang die Erde umkreisen.

Die Vorteile von Kleinsatelliten liegen auf der Hand. Sie sind günstig in der Herstellung und flexibel einsetzbar.

Andres Bolte, Deutsche Raumfahrtagentur im DLR

Der Kleinsatellit hat ein Volumen von 12U und entspricht damit einer Größe von zwölf zusammengeschalteten Einheiten. Hergestellt wird der Satellit vom französischen Raumfahrtunternehmen U-Space, das auch die Nutzlasten integriert. „Auf CAPTn-1 sollen vier spezielle Entwicklungen aus dem DLR getestet werden“, so Fereydun Kaikhosrowi von der Programmdirektion Raumfahrt im DLR. „Die Technologie-Experimente ScOSA, DLReps, Smart-Retro und GSDR werden beim Start mit an Bord sein.“

ScOSA (Scalable On-Board Computing for Space Avionics) ist ein neuartiger Computer des DLR, der für den Einsatz auf Weltraummissionen entwickelt wurde. Bei dem Projekt werden Raumfahrt-Prozessoren, die unter Weltraumbedingungen erprobt sind, mit handelsüblichen Prozessoren, die günstiger und leistungsfähiger, aber weniger robust sind, kombiniert. Um das System trotz eines möglichen Ausfalls von Prozessoren robust zu machen, besteht das Computersystem von ScOSA aus verschiedenen dezentral aufgebauten Rechenknoten. Eine spezielle Software sorgt dann dafür, dass fehlerhafte Knoten erkannt und die Aufgaben auf andere Knoten verteilt werden. Beschädigte Prozessoren werden, wenn möglich, repariert und je nach ihrer anschließenden Leistungsfähigkeit wieder in das System eingegliedert.

Das DLR entwickelt Materialien für Satellitenstrukturen auf der Basis von Holz. Dadurch soll der Prozess des Verbrennens so emissionsarm wie möglich ablaufen.

Fereydun Kaikhosrowi, Projektmanager in der Programmdirektion Raumfahrt

Unter dem Namen DLReps verbirgt sich ein Experiment für intelligente Batterien, die auf Raumfahrtmissionen eingesetzt werden. Dabei übernimmt eine Software das Batteriemanagement, die sowohl Daten zum Zustand des Systems sammelt als auch selbstständig Entscheidungen treffen kann. Dazu werden neuartige Algorithmen zur Bestimmung des Ladezustands, Gesundheitszustands und zur Fehlererkennung bei den Batteriezellen eingesetzt. So sorgt die Software für Überwachung und Steuerung des Thermalsystems und dafür, dass die Spannung der Batteriezellen ausgeglichen ist, damit das System intakt bleibt.

Wie eine Art „Nummernschild“ für Satelliten funktioniert das Experiment Smart-Retro. Die Forschenden haben dafür einen Retroreflektor – drei Spiegel, die einfallendes Licht unabhängig vom Einfallswinkel zur Lichtquelle reflektieren – mit einer Polarisationsoptik versehen. Dieses reflektierte Licht kann als individuelles Signal vom Boden aus mit Lasern getrackt werden. Neben der Identifikation von Satelliten dient Smart-Retro auch der millimetergenauen Positionsbestimmung, die aus der Laufzeit des Laserimpulses vom Boden zum Reflektor und zurück berechnet wird.

Eine Einheit des CAPTn-1 in der Reinkammer
Unter dem Namen CAPTn (Cubesat to Accomodate Payloads and Technology Experiments) hat das DLR ein Programm gestartet, bei dem neue Weltraumtechnologien auf CubeSats direkt vor Ort, also im All, getestet werden können. Dabei müssen sie sowohl die Vibrationsbelastungen beim Start als auch die Umweltbedingungen im Weltraum – also extreme Hitze und Kälte sowie Strahlung und Vakuum – überstehen. Der erste Satellit der geplanten Serie, CAPTn-1, wird voraussichtlich 2026 ins All starten und dann rund zwei Jahre lang die Erde umkreisen.
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U-Space

Über die Funkplattform GSDR (Generic Software Defined Radio) sollen während der CAPTn-1-Mission hochfrequente Flugzeugsignale empfangen werden. Das Besondere an diesem System ist die hohe Bandbreite, die es erlaubt, mehrere Frequenzen aus verschiedenen Richtungen parallel und unabhängig voneinander zu verarbeiten. Hierdurch können Probleme wie Signalkollisionen einfacher Empfängersysteme besser analysiert und die Empfangsperformance aus dem Orbit optimiert werden.

What goes up, must come down

Der rasante Anstieg der Anzahl an Kleinsatelliten bringt auch eine neue Herausforderung mit sich: Tausende von Orbitern werden in den nächsten Jahren ihren meist kurzen Lebenszyklus beenden und in der Erdatmosphäre verglühen. Damit dies möglichst umweltverträglich geschieht, hat das DLR die Projekte TEMIS-DEBRIS und Bio Strux zum Bau von Satellitenplattformen ins Leben gerufen. Bei TEMIS-DEBRIS geht es den Forschenden vor allem darum, einen Satelliten zu entwerfen, der sich beim Wiedereintritt in möglichst kleine und verbrennbare Teile zerlegt. Während Satelliten in hohen Bahnen meist in einem sogenannten Friedhofs-Orbit geparkt werden, lässt man niedrig fliegende Satelliten durch Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglühen. Je stärker die einzelnen Teile des Orbiters dabei verbrennen, desto geringer ist das Risiko, dass diese auf der Erdoberfläche auftreffen und dabei Schaden anrichten. Zu diesem Zweck werden einzelne Strukturen so konstruiert, dass sie sich beim Eintritt in die Atmosphäre durch aerothermale Lasten oder Sollbruchstellen abspalten. Auch die Entwicklung verbrennbarer Materialien ist ein Schwerpunkt in dem Projekt.

Doch auch wenn ein Kleinsatellit verglüht, hat dies Auswirkungen auf die Umwelt – und das in den sehr empfindlichen obersten Schichten unserer Atmosphäre. So entstehen etwa durch das Verglühen von chemischen Antrieben oder Batterien Dämpfe, die das Klimageschehen beeinflussen könnten. Dieser Problematik widmet sich das Projekt Bio Strux. „Das DLR entwickelt Materialien für Satellitenstrukturen auf der Basis von Holz“, so Kaikhosrowi. „Dadurch soll der Prozess des Verbrennens so emissionsarm wie möglich ablaufen.“ Das Naturmaterial Holz hat außerdem den Vorteil, dass es hohen Belastungen und Temperaturunterschieden, aber auch den Bedingungen im Vakuum standhält.

Relevante Umlaufbahnen für Kleinsatelliten
Kleinsatelliten sollen beispielsweise für die Waldbranddetektion, aber auch im militärischen Bereich eingesetzt werden.
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DLRmagazin/Raufeld

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„Auf Dauer werden Kleinsatelliten ihre großen Brüder wie die Sentinels nicht vollkommen ersetzen können“, resümiert Dr. Anke Pagels-Kerp, DLR-Bereichsvorständin Raumfahrt im DLR. „Komplexe wissenschaftliche Instrumente benötigen viel Platz und eine extrem leistungsfähige Energieversorgung. Die Kleinen sind vielmehr eine ideale Ergänzung und eröffnen uns viele neue technologische Möglichkeiten im Weltraum.“

Ein Beitrag von Diana Velden aus dem DLRmagazin 178. Diana Velden ist Redakteurin in der DLR-Kommunikation.

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