Wenn das Forschungsflugzeug in Oberpfaffenhofen abhebt, ist modernste Technik an Bord: der Prototyp des neuen Funksystems für die zivile Luftfahrt. Entwickelt wird es von Dr. Michael Schnell und seinem Team im DLR-Institut für Kommunikation und Navigation mit Unterstützung von europäischen Partnern. Das bodengestützte, digitale Übertragungsverfahren LDACS (L-band Digital Aeronautical Communications System) soll den Flugverkehr sicherer und effizienter machen. Hinter dem Kürzel steckt eine Technologie, mit der sich Piloten und Lotsen besser verständigen können. Sie ermöglicht sowohl Sprachkommunikation in CD-Qualität als auch schnellen Datenaustausch. „Im Prinzip funktioniert LDACS ähnlich wie der Mobilfunk“, erklärt Michael Schnell. „Die Bodenstation entspricht der Mobilfunkbasisstation und das Funkgerät im Flugzeug dem Smartphone.“ Er ist Gruppenleiter in der Abteilung Nachrichtensysteme des Instituts, in dem rund 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neue Verfahren für die Funkübertragung und Funkortung erforschen, bauen und testen.
In dem kleinen Gerät stecken 10 Jahre Spitzenforschung
Michael Schnell leitet das Projekt LDACS seit 2007. Am Anfang standen theoretische Überlegungen und Konzepte. Auf dieser Grundlage konnten die Wissenschaftler nach etwa einem Dreivierteljahr ein erstes Systemdesign des Datenlinks entwickeln. In einer mehrjährigen Simulationsphase haben sie überprüft, ob der Datentransfer funktionieren kann wie berechnet, und dabei immer wieder Verbesserungen eingebracht. Anschließend hat das Team die Technologie im DLR in Hardware umgesetzt und im Labor getestet. Der Transfer in die europäische Industrie ist bereits erfolgt: Im Rahmen des deutschen Luftfahrtforschungsprogramms finalisieren Industriepartner derzeit den Demonstrator, der auch in das Forschungsflugzeug eingebaut wird. LDACS schafft eine universell nutzbare Schnittstelle für Daten und Sprache im L-Band. Weil dieser Frequenzbereich bereits für die Luftfahrt verwendet wird, müssen die DLR-Experten ihre Signale so auslegen, dass sie bestehende Dienste nicht stören. Im Labor der Deutschen Flugsicherung (DFS) in Langen bei Frankfurt untersuchen sie die gegenseitige Beeinflussung der verschiedenen Systeme.
80 Jahre alter Vorgänger wird ausgemustert
Wenn Fluglotsen heute Piloten anweisen, ihre Richtung oder Flughöhe zu ändern, tun sie das überwiegend mittels analogen Sprechfunks – also wie mit einem Walkie-Talkie. Dieses Verfahren wird seit den Dreißigerjahren genutzt. Es ist sicher und robust, aber umständlich zu bedienen: Die Piloten müssen sich mündlich an- und abmelden und die Funkfrequenzen von Hand eingeben. Die Technologie benötigt außerdem ein breites Frequenzspektrum. Das ist problematisch, weil nur begrenzt Frequenzen verfügbar sind und die Anzahl der Flugbewegungen weiter steigt. Höchste Zeit also, ins digitale Zeitalter zu starten. Mit LDACS können Piloten und Fluglotsen künftig nicht nur schneller und effizienter kommunizieren, sondern auch komplexe Informationen austauschen, die mit analogem Sprechfunk gar nicht übermittelbar sind. In Zukunft werden Lotsen den Flugzeugen nämlich vierdimensionale Trajektorien vorgeben, also Flugpfade mit Zeitstempel. Bis zur tatsächlichen Einführung an sämtlichen Kontrollstationen und Flughäfen weltweit dürften aber noch Jahre vergehen. Immerhin gibt es seit 2016 eine Arbeitsgruppe bei der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO für die Standardisierung, der das DLR vorsitzt. „Sobald der Standard endgültig festgeschrieben ist, sind Hersteller und Fluggesellschaften aufgefordert, ihn zu übernehmen“, erklärt Michael Schnell. Bis 2022 könnte es nach seiner Einschätzung so weit sein.
Wenn die Welt nach Oberbayern schaut
Mit seinem achtköpfigen Team bereitet der Elektrotechnik-Ingenieur derzeit die mehrtägigen Flugversuche im Oktober vor. Die Kampagne ist ein Meilenstein: Erstmals können sie die digitale Datenübertragung per LDACS unter realen Bedingungen testen. Mit dem zweistrahligen Forschungsflieger Falcon, der Signale von vier Bodenstationen im Münchner Umland empfangen wird, planen sie Anflüge und Landungen, Übergänge zwischen Funkzellen und große Höhen von bis zu 12.800 Metern. Die Forscher wollen unter anderem Qualität und Durchsatz der Datenverbindung messen. Sollten einzelne Funktionalitäten nicht fehlerfrei laufen, müssten sie nachbessern. Im Vordergrund steht aber ein anderer Aspekt, der für die erfolgreiche Einführung von LDACS genauso wichtig ist: „Man zeigt der Welt, dass es funktioniert!“