Der „Schmetterlingskrater“ von Idaeus Fossae auf dem Mars



NASA/JPL (MOLA); FU Berlin
- Neue Motive der DLR-Marskamera HRSC zeigen ein Gebiet zwischen der Hochlandregion Tempe Terra sowie den Tieflandebenen Acidalia Planitia und Chryse Planitia.
- Im Bild dominiert überwiegend flaches Gelände mit einigen dunkel umrissenen Tafelbergen und einem ungewöhnlich aussehenden Einschlagskrater.
- Jubiläum steht kurz bevor: 1976 setzte das Viking-Landevehikel im Westen von Chryse Planitia auf.
- Schwerpunkte: Raumfahrt, Exploration, Mars, HRSC-Kamera
Jüngst prozessierte Bilder aus Daten der hochauflösenden Stereokamera HRSC zeigen eine besondere Art von Kratern im Tiefland der nördlichen Halbkugel des Mars. Das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelte Kameraexperiment an Bord der ESA-Mission Mars Express ist schon seit Januar 2004 im Einsatz. Forschende erstellen mit diesen Bilddaten hochaufgelöste digitale Geländemodelle und ein globales topographisches Kartenwerk und stellen wertvolle Informationen zur Entstehung und Entwicklung unseres planetaren Nachbarn bereit.
Die Motive zeigen ein Gebiet zwischen der Hochlandregion Tempe Terra sowie den Tieflandebenen Acidalia Planitia und Chryse Planitia (siehe Überblickskarte). In der Nähe liegt ein komplexes System aus verzweigten, geradlinigen Gräben oder Kanälen, das Idaeus Fossae genannt wird. Nur wenige Kilometer weiter südwestlich mündet der Kasei Valles-Ausflusskanal. Mit 1.600 Kilometern Länge ist er einer der größten ausgetrockneten Abflusssysteme dieser Art auf dem Mars.
Ebenfalls nicht weit entfernt, südlich der Mündung der Kasei Valles und der hier gezeigten Szene (siehe regionale Übersicht), befindet sich die Landestelle der NASA-Mission Viking 1. Dabei handelt es sich um die erste Sonde, welche auf dem Planeten über einen langen Zeitraum Experimente durchgeführt hat.

Große, energiereiche Wassermassen formten die Tiefebene
Am 20. Juli 1976 setzte das Viking-Landevehikel im Westen der Ebene Chryse Planitia auf. Ursprünglich war dies bereits für den US-Nationalfeiertag am 4. Juli vorgesehen. Doch der Viking-1-Orbiter zeigte auf den ersten Bildern aus der Umlaufbahn an der vorgesehenen Landestelle eine große Dichte von Felsblöcken – ein Risiko für die Landung. Deshalb suchte die NASA zehn Tage lang nach einer besser geeigneten Landestelle. Die Vorsicht und Geduld zahlten sich aus: Viking 1 funktionierte bis Ende 1982.
Die sogenannte Dichotomiegrenze zwischen dem südlichen Marshochland und den nördlichen Tiefebenen wird wenige Kilometer südwestlich der hier gezeigten HRSC-Bilder durch einen markanten, steilen Abhang mit zwei Kilometern Gefälle markiert. Er heißt Nilokeras Scopulus und befindet sich im Mündungsgebiet des großen Ausflusskanals Kasei.
Würde man oben an dessen Rand stehen, hätte man einen ähnlichen Blick in die Tiefe wie am Grand Canyon – nur dass diese marsianische Klippe fast doppelt so lang und auch viel breiter ist. Der gegenüber liegende Hang jenseits des 100 Kilometer großen Kraters Sharanov wäre am Horizont kaum sichtbar. Die Steilwand ist wahrscheinlich entstanden durch eine Kombination aus tektonischen Verwerfungen und Erosion in Folge des Abflusses extrem großer Wassermassen durch die Kasei Valles in sehr kurzer Zeit.
Im Bild dominiert überwiegend flaches Gelände mit einigen dunkel umrissenen Tafelbergen und einem ungewöhnlich aussehenden Einschlagskrater. Die rötlich-braune Oberfläche verdunkelt sich allmählich von Süden (in den Draufsichten links) nach Norden (rechts), und einige hellere, leicht tiefer gelegene Bereiche sind über das Bild verstreut. Letztere gehören gemeinsam mit den linearen Tälern zu einer größeren geologischen Struktur, Idaeus Fossae – ein System von Tälern, nur wenige Kilometer westlich des Bildausschnitts.

Krater in der Marsregion Idaeus Fossae
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ESA/DLR/FU Berlin
Einschlag eines flach heranrasenden Asteroiden
Auf der nördlichen (rechten) Seite des Bildes zieht ein elliptischer Einschlagskrater die Aufmerksamkeit auf sich. Er misst etwa 20 Kilometer von Ost nach West und 15 Kilometer von Nord nach Süd. Während primäre Einschlagskrater, die von auf festen Planetenoberflächen einschlagenden Objekten aus dem Sonnensystem fast immer kreisförmig sind, lässt die elliptische Form dieses Kraters auf einen Einschlag mit flachem Winkel in Relation zur Oberfläche schließen. Laborexperimente mit Hochgeschwindigkeitskanonen haben gezeigt, dass ab einem Einschlagswinkel von unter 15 Grad ein Impaktkrater eine elliptische Form annimmt. Bei fast streifendem Auftreffen von fünf bis zehn Grad bilden sich sogenannte Schmetterlingskrater:
Das Auswurfmaterial wird überwiegend seitlich des Kraters auf beiden Seiten quer zur Flugrichtung abgelagert. In dem hier gezeigten Fall sind die zwei „Schmetterlingsflügel“ nördlich und südlich des Kraters angeordnet. Im Osten und Westen, also entlang der Flugrichtung des Projektils, wurde aufgrund der ballistischen Einschlagsgeometrie kein Auswurf abgelagert.
Die Auswurfdecke weist auch Merkmale von verflüssigtem Material auf, das entsteht, wenn sich Einschlagstrümmer mit Wasser oder Eis im Untergrund vermischen. Wegen des hohen Energieumsatzes bei solch einem Ereignis wird Eis sofort verflüssigt. Selbst normalerweise starres, festes Gestein reagiert dann wie eine zähe Flüssigkeit. Solche Auswurfmassen weisen oft überlappende Materialdecken und eine deutlich abgerundete Grenze auf (oben rechts im Bild).
Bildbearbeitung
Die Bilder wurden von der HRSC (High Resolution Stereo Camera) am 8. November 2024 während Mars Express-Orbit 26325 aufgenommen. Die Bodenauflösung beträgt etwa 17 Meter pro Pixel. Das Bild ist auf etwa 37 Grad Nord und 309 Grad Ost zentriert.
Das Farbbild wurde aus den Daten des Nadirkanals, dem senkrecht zur Marsoberfläche ausgerichteten Sichtfeld, und den Farbkanälen der HRSC erstellt.
Die schräge perspektivische Ansicht wurde aus dem digitalen Geländemodell, dem Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot/Blau- oder Rot/Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck von der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet.
Die farbkodierte topografische Ansicht basiert auf einem digitalen Geländemodell (DGM) der Region.
Weiterführende Links
- DLR-Sonderseite zur Mission Mars Express
- Die HRSC-Stereokamera des DLR
- DLR-Nachricht: Flug um Xanthe Terra auf dem Mars – Rundreise über goldgelbes Land
- DLR-Nachricht: Wirbelstürme am Nachmittag – die bewegten Weiten von Arcadia Planitia auf dem Mars
- DLR-Nachricht: Mega-Fluten auf dem roten Planeten
- Mapserver für freigegebene Rohbilder und Digitale Geländemodelle (DGM)
Das HRSC-Experiment auf Mars Express
Die hochauflösende Stereokamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter der Leitung von Dr. Daniela Tirsch, Principal Investigator (PI), besteht aus 50 Co-Investigatoren aus 35 Institutionen und elf Ländern. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Weltraumforschung (ehemals DLR-Institut für Planetenforschung) in Berlin-Adlershof betrieben.