„Reisebus“ oder „Taxi“: Wie kommen Kleinsatelliten ins All?

Mehr als 9.000 Kleinsatelliten sind in den Jahren 2015 bis 2024 ins All gestartet, und der Bedarf wächst. Vor allem für neue Raumfahrtanwendungen in den Bereichen Erdbeobachtung, Landwirtschaft, Verkehr und Sicherheit werden größere Netze oder sogar Megakonstellationen von Satelliten benötigt. Doch wie verläuft die Reise der „Kleinen“ in den Weltraum?

Egal wie groß oder klein ein Gegenstand ist, den man ins All bringen möchte – an einem Transport mit Trägerraketen und den damit verbundenen Kosten führt kein Weg vorbei. Doch gerade beim Start ins All können Kleinsatelliten mit ihren Vorteilen punkten: ihrer geringen Masse und ihrer kompakten Bauweise. Denn zum einen können die Startkosten pauschal für die gesamte Rakete erhoben werden, wenn man sie alleine für sich beanspruchen möchte. Zum anderen können kleine Satelliten via „Rideshare“ kostengünstig verbliebene Nutzlastkapazitäten neben Großmissionen nutzen, beziehungsweise es können sich mehrere Kleinsatellitenkunden für einen Flug zusammentun.

Daneben haben die Betreiber von Kleinsatelliten aber auch noch eine weitere Auswahlmöglichkeit: den Start mit einem eigens für die Mission gebuchten Mikrolauncher. Die Wahl lautet hier also im übertragenen Sinne „Reisebus oder Taxi“. Und so wie bei der Wahl des Verkehrsmittels beim irdischen Transport, so gibt es auch hier Vor- und Nachteile bei jeder Variante.

Am Weihnachtsbaum in den Weltraum

Bei Missionen mit großen Satelliten füllen diese häufig nicht den ganzen zur Verfügung stehenden Raum im Nutzlastmodul der Rakete. Ist also noch ein wenig Nutzlastkapazität vorhanden, so kann diese durch Kleinsatelliten genutzt werden, die sozusagen „Huckepack“ einen günstigen Mitflug erhalten. Wird eine große Trägerrakete wie die Ariane 6 oder eine Falcon 9 ausschließlich mit Kleinsatelliten bestückt, so werden diese via Ringadapter alle an einer zentralen Struktur im Inneren der Rakete angeschlossen. „Man kann sich das vorstellen wie einen Weihnachtsbaum, an dem die Kugeln hängen“, erklärt Andres Bolte, zuständig für den Bereich Kleinsatellitentechnik bei der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR.

Bis zu 60 Stück finden so bei einem Flug Platz. Beide Rideshare-Varianten sind deutlich kostengünstiger als der Transport mit einem eigens für die Mission gekauften Mikrolauncher-Flug, der mindestens sechs Mal so teuer ist. Nachteil der Mitflug-Variante ist die geringere Flexibilität in Bezug auf den Starttermin, vor allem aber auf den Zielorbit. Ist eine Kleinsatellitenmission nicht rechtzeitig startbereit, um bei einer Rideshare-Mission mitzufliegen, so kann diese oftmals noch auf einen nachfolgenden Flug umgebucht werden.

Bei einer Falcon-9-Rakete etwa ergeben sich zwei- bis viermal im Jahr Startmöglichkeiten. Wenn man als Kleinsatellit bei einer Rideshare-Mission mitfliegen möchte, wendet man sich an einen Startdienstleister. Dieser agiert wie eine Art Reiseveranstalter der sicher stellt, dass der Kleinsatellit eines einzelnen Kunden mit vielen weiteren Kleinsatelliten reibungslos auf die Großrakete integriert und auf den Start vorbereitet wird.

Bezüglich des Zielorbits besteht diese Flexibilität aber nicht: In den meisten Fällen werden von den Großraketen sonnensynchrone Orbits über den Polen der Erde angesteuert. Ist also ein Kunde auf einen bestimmten Termin festgelegt oder benötigt einen anderen Orbit für seine Kleinsatellitenmission, so ist ein Transport via Mikrolauncher ideal.

Mikrolauncher: ein Markt im Aufbau

Der Markt für Mikrolauncher ist derzeit allerdings noch sehr überschaubar: Einziger Anbieter für kommerzielle Flüge ist derzeit die U.S.-amerikanische Firma Rocket Lab. Deren Electron-Raketen starten etwa fünfzehnmal im Jahr vom Launch Complex 1 auf der Mahia-Halbinsel in Neuseeland. Europäische Kleinraketenprojekte befinden sich derzeit noch in der Entwicklung, sollen aber schon bald in diesem New-Space-Marktsegment vertreten sein. Auch in Deutschland gibt es verschiedene Hoffnungsträger in diesem Bereich.

„Mit den Start-ups Isar Aerospace und Rocket Factory Augsburg, die beide für die European Launcher Challenge im Sommer 2025 durch die ESA vor-ausgewählt wurden, haben wir im europäischen Vergleich zwei ganz heiße Eisen im Feuer“, so Holger Burkhardt, zuständig für zukünftige Träger und Technologien in der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR. Mit seiner Spectrum-Rakete konnte Isar Aerospace im März 2025 bereits einen ersten Testflug starten, der nach etwa 30 Sekunden abgebrochen wurde. Dabei konnten wichtige Daten gesammelt werden, die nun in die weitere Entwicklung einfließen. Bei der Firma Rocket Factory Augsburg werden der nächste Heißtest der integrierten Erststufe und die anschließende erste Demo-Mission in den kommenden Monaten erwartet.

Viele Schritte bis zum Start

Doch bevor ein Kleinsatellit mit einer Trägerrakete in den Weltraum startet, müssen viele Stadien durchlaufen werden. Zur Unterstützung im Prozess wendet man sich als Kleinsatellitenbesitzer an einen Startdienstleister, welcher den reibungslosen Ablauf sicherstellt. Am Anfang jeder Reise ins All steht die Analyse, welche Trägerrakete für die geplante Mission geeignet ist, also ob etwa Startdatum, Zielorbit und Startkosten zum Bedarf des Kunden passen. Außerdem muss jeder Satellit – egal ob klein oder groß – eine Raketenstartqualifizierung erlangen. Dabei wird geprüft, ob die Technik den Belastungen beim Start sowie den besonderen Umweltbedingungen im All standhält. So durchlaufen die Satelliten eine Vielzahl an Tests, darunter Vakuum- und Schütteltests.

Einen Vorteil bieten hier die CubeSats – Kleinsatelliten mit einer Kantenlänge von zehn mal zehn mal zehn Zentimetern beim Standardformat 1U. Sie können in industriellem Maßstab gefertigt werden und sind baugleich, was für die Vorbereitung zum Raketenstart erhebliche Vorteile bringt. So können CubeSats in einem standardisierten Container wie bei einem Tetris-Spiel befüllt werden. Ein weiterer Schritt ist die gemeinsame Kampagnenplanung von Startanbieter und Kunden, die den speziellen Bedarf der Mission berücksichtigt, etwa die Betankung des Satelliten-Antriebssystems. Zum Schluss stehen dann noch der Transport des Satelliten zum Startplatz, die letzten Vorbereitungen sowie die Integration in die Rakete an. Ein langer Weg also, noch bevor die eigentliche Reise in Weltall beginnt.

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