Ein Rover für den Marsmond Phobos
Die Entstehung der beiden Marsmonde Phobos und Deimos ist bisher ungeklärt. Um dieses Rätsel zu entschlüsseln, startet voraussichtlich 2024 die Mission Martian Moons eXploration (MMX) der japanischen Raumfahrtagentur JAXA zu den beiden Monden. Mit an Bord wird ein deutsch-französischer Rover sein, der die Oberfläche des rund 27 Kilometer großen Phobos detailliert erkunden wird. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat nun einen wesentlichen Teil des Rovers am Standort Bremen integriert und fertiggestellt. Die in Zusammenarbeit mehrerer DLR-Institute entstandene Carbonstruktur samt Aufricht- und Fortbewegungssystem ist in dieser Woche von Bremen nach Toulouse an die französische Raumfahrtagentur CNES geliefert worden. Dort erfolgt bis zum Sommer 2023 die Fertigstellung mit dem Einbau aller Instrumente und Subsysteme. Dort erhält der MMX-Rover auch sein Radiometer miniRAD sowie sein Spektrometer RAX. Beide Instrumente wurden am DLR in Berlin gebaut und bereits zuvor nach Toulouse geschickt.
„Mit dem MMX-Rover betreten wir technisches Neuland, denn noch nie ist ein Erkundungsfahrzeug mit Rädern auf einem kleinen Himmelskörper gefahren, der nur über rund ein Tausendstel der Erdanziehungskraft verfügt“, sagt Markus Grebenstein vom Institut für Robotik und Mechatronik in Oberpfaffenhofen, der die DLR-Projektleitung für den MMX-Rover innehat. „Da der Rover im freien Fall aus dem Raumfahrzeug auf Phobos gelangt, wird er bei der Landung unbeschadet mehrere „Purzelbäume“ schlagen und in unvorhersagbarer Lage zum Liegen kommen. Aus dieser Situation heraus muss er sich autonom mithilfe des Antriebssystems aufrichten und anschließend seine Sonnensegel entfalten. Erst dann ist der Rover fahrbereit und überlebensfähig“, so Grebenstein weiter. „Fahren wird er schließlich ganz behutsam mit nur einigen Millimetern pro Sekunde, um trotz der geringen Schwerkraft mit seinen speziellen Rädern den Bodenkontakt zu halten“, ergänzt Stefan Barthelmes vom Institut für Systemdynamik und Regelungstechnik. Am Robotik und Mechatronik Zentrum des DLR wurde das Aufricht- und Fortbewegungssystem entwickelt und gebaut. Die besonders leichte Carbonstruktur hat das Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik beigesteuert.
Der nur 25 Kilogramm leichte MMX-Rover wird, angekommen bei Phobos, von der MMX-Muttersonde abgetrennt und etwa 50 Meter hinab zur Mondoberfläche fallen. Dies wurde in ersten Falltests am Bremer Institut für Raumfahrtsysteme bereits erprobt, wo nun auch die Integration erfolgte. Auf Phobos hat der Rover rund 100 Tage Zeit, die physikalischen und mineralogischen Eigenschaften der Oberfläche zu erkunden. Dabei kommen die beiden DLR-Instrumente miniRAD und RAX aus Berlin zum Einsatz. Das Radiometer miniRAD des Instituts für Planetenforschung wird mittels Infrarotmessungen die Oberflächentemperatur bestimmen. Zudem ermöglicht es Rückschlüsse auf die Porosität des Oberflächenmaterials, um diese mit Asteroiden- und Kometenproben zu vergleichen. Das Raman-Spektrometer RAX (RAman spectroscopy for MMX) ist eine Entwicklung unter Führung des Instituts für Optische Sensorsysteme mit Beteiligung der JAXA und der spanischen Raumfahrtagentur INTA. RAX wird entlang der Roverstrecke die mineralogische Zusammensetzung der Phobos-Oberfläche ermitteln. Die Minerale eines Himmelskörpers stehen eng mit seiner Entstehung und Geschichte im Zusammenhang und Vergleiche mit Messungen anderer Rover auf dem Mars helfen den Wissenschaftlern, das Mars-System mit seinen Monden besser zu verstehen.
Neben den beiden DLR-Instrumenten werden in den nächsten Monaten bei der CNES in Toulouse auch zwei Radkameras montiert, die Räder und Untergrund im Blick behalten und dabei wissenschaftliche Daten zum Aufbau der Phobos-Oberfläche sammeln, sowie zwei Navigationskameras integriert. Zudem bauen die Ingenieurteams die Solarpanele, das Energiesystem, das Funksystem für den Kontakt zur Erde, sowie den Bordcomputer in den Rover ein. Dann stehen umfangreiche Tests des vollständigen Rovers an hinsichtlich seiner Funktionen sowie seiner Beständigkeit gegenüber den Vibrationen des Raketenstarts und der extremen Temperaturschwankungen von mehr als 200 Grad Celsius auf Phobos. Die Tests unter Weltraumbedingungen wird der MMX-Rover zusammen mit dem Verbindungs- und Separationssystem zum Mutterschiff, genannt „MECSS“ (Mechanical and Electrical Connection and Support System) absolvieren. Dieser Adapter wird ebenfalls vom DLR bereitgestellt.
Die MMX-Raumsonde besteht insgesamt aus drei Modulen. Das Explorationsmodul verfügt über Landebeine, Probennehmer und einige Instrumenten sowie den mitgeführten MMX-Rover. An das Explorationsmodul schließt sich das Return-Modul mit der Kapsel zur Probenrückführung an, gefolgt von einem Antriebsmodul mit den Treibstofftanks und Raketentriebwerken. Der Start der japanischen Raumsonde ist derzeit für 2024 mit einer H-3-Rakete vom japanischen Weltraumbahnhof in Tanegashima geplant. Ungefähr ein Jahr nach dem Verlassen der Erde wird die Sonde dann 2025 in eine Umlaufbahn um den Mars eintreten, um Phobos und Deimos zu beobachten. Anschließend wird sie in einen Quasi-Orbit um den Marsmond Phobos einschwenken, dort wissenschaftliche Daten sammeln, den mitgeführten MMX-Rover absetzen und Proben von der Mondoberfläche nehmen. Nach der Probenentnahme kehrt das Raumfahrzeug mit dem auf Phobos gesammelten Material zur Erde zurück. Die Landung des MMX-Rovers auf Phobos ist für 2027 geplant und die Rückkehr zur Erde mit den Proben im Jahre 2029. Die Messungen und Bilder des Rovers auf der Phobos-Oberfläche werden auch als Referenz für die Orbiter-Instrumente dienen und helfen, die Landung des Explorationsmoduls für die Probennahme vorzubereiten.
Phobos und Deimos (zu Deutsch: Furcht und Schrecken), in der griechischen Mythologie die Begleiter des Kriegsgottes Ares, der in der römischen Antike seine Entsprechung im Kriegsgott Mars hatte, begleiten als kleine Monde den Planeten Mars. Entdeckt wurden sie 1877 vom amerikanischen Astronomen Asaph Hall. Aufgrund ihrer geringen Größe (Phobos 27 Kilometer, Deimos 15 Kilometer) sind beide Monde unregelmäßig geformt und erinnern mit ihrer Gestalt eher an Asteroiden. So besagt eine Theorie, dass der Mars die beiden, womöglich im Asteroidengürtel entstandenen Körper in der Vergangenheit „einfing“. Allerdings sind damit die sehr engen und fast kreisrunden Bahnen beider Monde in der Äquatorebene des Planeten nur schwer zu erklären. Diese wären besser nachvollziehbar, wenn Phobos und Deimos Überbleibsel eines riesigen Meteoriteneinschlags auf dem Mars wären. MMX soll dieses schon lang diskutierte Rätsel der Planetenforschung lösen. Die Entstehung des Mars-Systems ist zudem ein Schlüssel, um die Prozesse der Planetenbildung im Sonnensystem insgesamt besser zu verstehen. In jedem Fall dürften Spuren von Gesteinen des Mars auf der Oberfläche von Phobos zu finden sein, die als Auswurfsmaterial späterer Asteroideneinschläge auf Phobos landeten. Damit könnte dann mit den Proben von Phobos auch Material vom Mars in der Rückkehrkapsel zur Erde und damit in irdische Labore gelangen.